Die Mistelbekämpfung...

...warum überhaupt?

Die Mistel steht nicht unter Naturschutz!


Misteln sind Halbschmarotzer, die zwar selbst Photosynthese betreiben, aber dem Wirtsbaum Wasser und Nährstoffe entziehen. Durch den Wasser- und Nährstoffentzug schwächen sie die betroffenen Bäume, vor allem im Sommer an heißen und trockenen Tagen. Während der Wirtsbaum seine Spaltöffnungen an den Blättern schließt, um Wasser zu sparen, schließen Misteln ihre Spaltöffnungen zeitverzögert und verdunsten dadurch sehr viel Wasser. Wenn ein Baum viele Misteln angesammelt hat - durch z.B. fehlende Pflege -, dann bedeutet das einen erhöhten Trockenstress im Sommer und das führt wiederum zum frühen Absterben des Baumes.


Wenn die Misteln nicht aus den Bäumen geschnitten werden, kommen sie jedes Jahr ins Fruchten und bilden im Winter weiße, klebrige Beeren. Die Beeren werden von den Vögeln gefressen und verbreiten sich so von Baum zu Baum. Die trockenen Jahre haben dazu beigetragen, dass sich die Mistel explosionsartig vermehren konnte.

... im Landkreis


Der Landschaftspflegeverband setzt seit einigen Jahren Maßnahmen im Landkreis Aschaffenburg zur Mistelbekämpfung um.


In vielen Gemarkungen des Landkreises haben wir eine baumgenaue Mistelerfassung von befallenen Streuobstbäumen vorgenommen (siehe nachfolgende Karte). Jeder gelbe Punkt zeigt einen Baum mit Misteln an. Insgesamt wurden bisher(!) 9.400 Mistelbäume erfasst, davon annähernd 90 % Apfelbäume.


Ausgehend von den Erfassungen sind wir jedes Jahr im Winter dabei, in ausgewählten Gemarkungen die Misteln von Profis aus den Streuobstbäumen rausschneiden zu lassen.

Ob Ihre Fläche im Winter eines Jahres betroffen ist, schauen Sie bitte in Ihrem Gemeinde- bzw. Bürgerblatt nach.


Unser langanhaltendes Ziel ist es, den Befallsdruck der Mistel zu reduzieren und somit die Vitalität der Obstbäume zu fördern.

... in Sailauf

Das Pilotprojekt - Beginn 2020

Im westlichen Teil von Sailauf wurde 2020 eine einzelbaumbezogene Erfassung von mistelbefallenen Bäumen in Zusammenarbeit mit der Schlaraffenburger gGmbH (externer Link) durchgeführt.


Von ca. 800 Bäumen im Kartierungsgebiet waren 347 Bäume mit Misteln befallen, das ergibt eine Befallsquote von 43 %. Bei den befallenen Bäumen handelte es sich überwiegend um Apfelbäume (95 %), danach kamen Pappeln, Weiden, Ahorn und Linden.


Auf Basis dieser exemplarischen Erfassung startete in Sailauf die Mistelbekämpfung im Winter 2020/21. Bis Ende Februar 2021 waren die Baumpfleger von der Schlaraffenburger gGmbH in den mistelbefallenen Bäumen. Alle Misteln konnten entfernt und das Schnittgut naturschutzfachlich korrekt beseitigt werden.


Da die Misteln an den wichtigen Baumstrukturen, wie zum Beispiel am Stamm und an den Leitästen, nicht komplett herausgeschnitten werden können, wurden diese Misteln bei dem Pflegedurchgang in Sailauf nur an der Basis abgebrochen. Sie treiben jedoch in den Folgejahren an der gleichen Stelle wieder aus und müssen demnach 2-3 Jahre später erneut entfernt werden.

2020

2023

... in Sailauf 2023


2 Jahre nach der Schnittmaßnahme wurden die Mistelbäume erneut erfasst. Von damals 347 kartierten Mistelbäumen (43 %), wurden im Februar 2023 insgesamt 682 Bäume mit Misteln (85 %) erfasst. Das ist annähernd eine Verdopplung, trotz Schnittmaßnahmen. Zudem tragen die ersten Misteln wieder Früchte.

Positiv ist, dass sich ca. 70 % der erfassten Misteln nicht am Stamm und Leitästen befinden, sodass sie komplett rausgeschnitten werden können.


200 Apfelbäume wurden im Winter 22/23 erneut "entmistelt". Die restlichen 400 Apfelbäume wurden im Winter 23/24 geschnitten und die Misteln entfernt. Bei einigen Bäumen musste der Torsoschnitt (s. unten) durchgeführt werden, da die Bäume komplett mit Misteln infiziert waren. Pro Baum kamen ca. 70 - 100 Misteln, die auch am Stamm und an den Leit- und Starkästen saßen.

...bei Brokkoli-Bäumen

Wo hören die Misteln auf und wo fängt der Apfelbaum an?


Was ist ein Brokkoli-Baum?

Brokkoli-Bäume sind im Winter besonders gut zu sehen: annähernd die gesamte Silhouette eines (Apfel-)Baumes ist im Winter grün von immergrünen Misteln und erinnert somit an einen Brokkoli. Eine Mistel alleine macht einem vitalen Baum nichts aus; sie entzieht dem Baum zwar Wasser und Nährstoffe, aber der Baum kommt mit einer Mistel zurecht. Wenn es aber nicht bei einer Mistel bleibt, sondern wie in den Bildern schnell mal mehr als 20, 40 oder 60 Misteln werden, dann sieht die Situation für den Baum schon ganz anders aus.

Jede Mistel entzieht Wasser und das vor allem im Sommer an heißen und trockenen Tagen. Um Wasser vor der Verdunstung zu sparen schließt der Wirtsbaum seine Spaltöffnungen an den Blättern; die Misteln dagegen schließen ihre Spaltöffnungen zeitverzögert und verdunsten dadurch sehr viel Wasser. Ohne Gegenmaßnahmen sterben viele dieser Bäume durch den erhöhten Trockenstress und der Mistellast in den darauffolgenden Jahren ab. Bevor er jedoch zusammenbricht, übertragen Vögel die Mistelbeeren auf umliegende Bäume.

Betroffene Brokkoli-Bäume sind hauptsächlich Apfelbäume, danach kommen Weiden und Pappeln.


Alle Misteln "einfach" rausschneiden?

In Sailauf wurde der Versuch 2021 gemacht und mehrere Brokkoli-Bäume komplett von Misteln freigeschnitten. In dem folgenden Baum war ein Obstbaumkletterer 3 Stunden zugange und hat jede einzelne Mistel rausgeschnitten oder die Misteln am Stamm und den Leitästen abgebrochen. Weitere Informationen zu den Bekämpfungsmaßnahmen sowie wann die Mistel rausgeschnitten und wann abgebrochen werden sollte, finden Sie hier. Eine Nachpflege ist unbedingt erforderlich, da die abgebrochenen Misteln wieder austreiben und neue Mistelkeimlinge hinzukommen können. Die Nachpflege sollte alle 2-3 Jahre stattfinden.

Fotos: Alexander Vorbeck

Leider waren nach 2-3 Jahren die optisch mistelfreien Brokkoli-Bäume wieder komplett mit Misteln befallen. Das nachfolgende Bild ist 3 Jahre nach dem Mistelschnitt entstanden und der Baum hat in dem Bild ca. 70 Misteln.

  • Bildtitel

    Der Mistelbaum 3 Jahre später mit 70 Misteln...

    Button

Man wird die Mistel in stark befallenen Bäumen nie komplett rausbekommen, da die Misteln am Stamm und den Leitästen jedes Jahr neu austreiben werden.

Alle 2 bis 3 Jahre wäre ein Eingriff notwendig, bei dem alle Misteln erneut entfernt werden müssten.

Es ist sehr fragwürdig, ob die Bäume einen zweiten Eingriff verkraften und überleben würden...

Neuer Ansatz bei der Mistelbekämpfung: Der Torsoschnitt


Zusammenfassende Möglichkeiten bei Brokkoli-Bäumen:


  • Wenn nichts gemacht wird verbreitet sich die Mistel ungehindert von den Brokkoli-Bäumen auf umliegende Bäume, bis der Wirtsbaum in naher Zukunft abstirbt. Ein Beispiel dazu finden Sie hier. Bis zum Absterben werden allerdings viele gesunde umliegende Bäume mit Misteln infiziert. Das ist keine Option!
  • Wenn Mistelschnitte durchgeführt werden, ist das mit einem hohen Zeitaufwand und wiederholender Nachpflege verbunden. Misteln würden dennoch mit ihren Senkern im Baum verbleiben und einen zweiten notwendigen Eingriff könnten viele Bäume nicht verkraften.


Die dritte Möglichkeit ist der Torsoschnitt. Hierbei werden die mistelbefallenen Äste der Brokkoli-Bäume direkt am Stamm entfernt. Ggf. wird auch der Stamm verkürzt, sodass auch die Misteln am Stamm rausgeschnitten werden. Übrig bleibt ein ca. 2 Meter hohes, stehendes und mistelfreies Baumgerüst (Torso). Der daraus resultierende Nachteil ist offensichtlich: Der Baum wird vorzeitig absterben und büßt ein paar seiner Lebensjahre ein.


Es ergeben sich jedoch einige Vorteile bei dieser Maßnahme:


  • Der Misteldruck wird in dem Gebiet schlagartig reduziert. Von diesem "Super-Spreader" aus können die Misteln nicht mehr verbreitet werden. Die umliegenden Bäume bleiben länger vital.
  • Mit wenigen Schnitten und geringem Zeitaufwand können Brokkoli-Bäume mistelfrei geschnitten werden. Dadurch können die Baumkletterer die "gesparte" Zeit nutzen, um viele, weniger stark befallene Bäume mistelfrei zu schneiden.
  • Der noch stehende Baumstumpf liefert für die nächsten Jahre wertvolles Totholz und Lebensraum für viele Insekten und andere Tierarten. Vielleicht gelingt auch eine Ersatzpflanzung mit den Eigentümer*innen.


So sieht der Torsoschnitt aus:


Um die Maßnahme abzurunden, bieten wir den Eigentümer*innen eine Nachpflanzung an.




Einbinden der Gemeinden und Privateigentümer*innen:


Bei Torsoschnitten gehen wir gezielt auf die Eigentümer*innen der Bäume zu und wollen sie mit ins Boot holen. Ebenso wichtig sind weitere Streuobstwiesenbesitzer*innen und die Gemeinden, da die Misteln nicht an den Grundstücks-, Gemeinde- und Landkreisgrenzen halt machen.


Wir wollen die Kommunen und Privateigentümer*innen stärker mit einbinden, da die Mistelproblematik nur zusammen, mit vielen Händen, in den Griff zu bekommen ist. Jeder kann beim Rausschneiden der Mistel mit der Stangensäge oder bei der Schnittgutbeseitigung helfen.


... bei Ihnen im Garten oder auf der Streuobstwiese


Sie können ebenfalls etwas für ihren Obstbaum tun:


Die Mistel steht nicht unter Naturschutz!

Beugen Sie einem hohen Mistelbefall vor, indem Sie die Mistel auf Ihrem Baum einfach entfernen, sobald sie eine entdecken. Idealerweise schneiden oder sägen Sie den betroffenen Ast circa 20 cm vor der Mistel ab. Am besten wird dabei auf einen nicht befallenen Ast abgeleitet. Falls das nicht möglich sein sollte, weil sich die Mistel am Stamm oder an einem Leitast befindet, so brechen sie die Mistel an der Basis mit ihren Händen ab. Das verhindert die Ausbreitung auf umliegende Bäume, sollte jedoch alle 2 Jahre wiederholt werden, um die Samenbildung zu verhindern. Die beste Zeit, um nach Misteln zu suchen, ist der Winter, wenn die Bäume in unbelaubten Zustand sind. Weitere Infos über die Mistel und ihre Bekämpfung finden Sie hier.

Share by: